Zwischen Pandemie und damit einhergehenden Sozialkürzungen verschärfen sich die in der Sozialarbeit ohnehin prekären Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitsbedingungen erneut. Die Geschäftsführungen blicken in erster Linie auf ihre Zahlen, die politisch Verantwortlichen auf die Kosten-Nutzen-Steuerung im Sozialstaat. In dieser Dynamik geraten vor allem die Beschäftigten der Sozialen Arbeit in die Situation, die Last und die Verantwortung dieser Politik schultern zu müssen. Um der erhöhten Belastung durch zusätzliche Aufgaben und unsicherer Beschäftigung im eigenen Betrieb etwas entgegenzusetzen, gibt es als Minimum kollegialer Interessensvertretung die Möglichkeit einer Betriebsratsgründung.
Aktuell finden bundesweit vom 01. März bis zum 31. Mai 2022 Betriebsratswahlen statt. Ein guter Anlass für alle Kolleg*innen, sich mit der Bildung und den Möglichkeiten von Betriebsräten auseinanderzusetzen. Die Mitbestimmung ist zwar eingeschränkt, aber dafür gesetzlich abgesichert und kann in einigen Bereichen auch gegen den Willen der Geschäftsführung erzwungen werden.
In den vielen vereinzelten Betrieben der Sozialen Arbeit ist jedoch oftmals kein Betriebsrat vorhanden. Auch das Interesse der Kolleg*innen, sich selbst in den Betriebsrat wählen zu lassen, ist erfahrungsgemäß trotz der großen Unzufriedenheit gering. Gleichzeitig haben sich die Arbeitsbedingungen in der Sozialen Arbeit in den vergangenen 20 Jahren massiv verschlechtert. Unsichere Beschäftigungsverhältnisse in Form von befristeten Arbeitsverträgen sind weit verbreitet. Häufig zahlen die Träger auch nur in Anlehnung an einen Tarifvertrag entsprechend niedrigere Löhne. Die Logik dahinter: Sozialarbeit wirft anders als im produzierenden Sektor keine satten Gewinne ab und soll daher möglichst wenig kosten. Und das, obwohl Soziale Arbeit von elementarer Bedeutung für das Kapital ist, weil sie einerseits zur Reproduktion von Arbeitskraft beiträgt und andererseits die schlimmsten Verwerfungen des Kapitalismus auffängt und eine gesellschaftliche Moralkrise abwendet.
Die Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen in der Sozialen Arbeit ist hoch, was sich unter anderem dadurch ausdrückt, dass laut einer Befragung der GEW ein Viertel unserer Kolleg*innen die Arbeitsstelle wechseln möchte. Umso wichtiger ist es angesichts der angespannten Lage, sich betrieblich zu organisieren. Die Neugründung eines Betriebsrats verläuft dabei in den seltensten Fällen reibungslos. In der Regel wird eine Betriebsratsgründung von der Geschäftsführung als Kriegserklärung betrachtet. Für die betroffenen Kolleg*innen bedeutet dies dann ein deutlich angespannteres Arbeitsverhältnis. Vor allem hier ist es wichtig, Solidarität zu zeigen und die Kolleg*innen zu unterstützen. Es gilt, dem Druck der Geschäftsführung etwas entgegenzuhalten und sich als wirklich kraftvolle Interessensvertretung aller Beschäftigten zu etablieren.
Auf unserer Veranstaltung möchten wir darüber sprechen, wie mit diesem Druck umgegangen werden kann. Wir möchten unsere Erfahrungen mit Betriebsratsarbeit und Betriebsratsgründungen im sozialen Bereich teilen und uns austauschen, um voneinander zu lernen.
Diese Podiumsdiskussion soll dazu ermutigen, Betriebsräte in sozialen Berufen zu gründen und eine Diskussion eröffnen über die Chancen und Grenzen sowie zu Erfahrungen und Perspektiven der Betriebsratsarbeit.
Eingeladen sind verschiedene Betriebsrät*innen aus der Sozialen Arbeit, die von ihren Erfolgen und auch von ihrem Leid berichten werden. Im Anschluss wird es die Möglichkeit geben, miteinander ins Gespräch zu kommen, Fragen zu stellen und zu diskutieren.
Die Veranstaltung richtet sich an alle Beschäftigten der Sozialen Arbeit und insbesondere an diejenigen, die überlegen, ob sie in ihrem Betrieb einen Betriebsrat gründen oder sich für den Betriebsrat aufstellen lassen möchten.
Do. 07.04.2022 | 20 Uhr | Café Cralle, Hochstädter Str. 10A
Betreut wird der Abend u.a. durch Kolleg*innen vom monatlichen Solidaritätstreff: Soziale Arbeit im Kapitalismus