Am Freitag, dem 25.10.2013, wurde der neugestaltete vordere Teil des Leopoldplatzes im Wedding offiziell (wieder-)eröffnet. Was von den Akteur*innen vor Ort als Abschluss einer langwierigen Umbaumaßnahme zur Verschönerung des Platzes gefeiert wurde, bedeutet im Kern nichts anderes als einen weiteren Ausbau der örtlichen Sicherheits- und Ordnungsarchitektur.Anstatt wie behauptet ein „Platz für alle“ zu sein, werden zahlreiche Nutzergruppen von der Platznutzung ausgeschlossen.
Als zentraler Platz innerhalb des Weddings spiegelt der “Leo” wie kein anderer die bestehenden gesellschaftliche Probleme, wie Alkohol- bzw. Drogenkonsum oder Armut, des gesamten Gebiets wider. Mit der jetzt abgeschlossenen Umstrukturierung sollen diese aus der öffentlichen Wahrnehmung gedrängt werden.
Auch wenn der „Leo“ auf den ersten Blick wie ein öffentlicher Platz wirkt, ist er im privaten Besitz der Nazarethkirchen-Gemeinde, die ihn vor einigen Jahren vom Land Berlin zurück erwarb. Dieser Rückerwerb war jedoch an konkrete Bedingungen geknüpft. Hierzu gehörte u.a. die grundsätzliche Neugestaltung des Platzes, um ihn für unliebige Nutzergruppen, wie die oftmals angesprochene „Drogen- und Trinkerszene“, unattraktiver zu machen. Als einer der ersten Schritte wurde hierzu vor rund zwei Jahren ein sogenannter „Trinkerplatz“ im hinteren Teil des “Leos” errichtet, damit die betroffenen Menschen nicht mehr am repräsentativen vorderen Platz zu sehen sind. Gleichzeitig wurde ein dichtes sicherheitspolitisches Netz geschaffen, mit dem u.a. „eine Zurückorientierung der lokal ansässigen Szene auf den vorderen Leopoldplatz“ verhindert werden soll. Hauptakteur ist hierbei das altbekannte Konglomerat aus Bezirkspolitik, Ordnungsamt, Polizei und Quartiersmanagement (hier: QM Pankstraße).
Neu ist in diesem Zusammenhang allerdings die Einbindung von Gangway e.V., welcher die Umgestaltungsmaßnahmen sozialarbeiterisch betreuen sollte. Der Verein übernimmt dabei vor allem die Rolle als Organisator des sogenannten „Sozialen Platzmanagements“. Dies umfasst neben der Einrichtung eines „Mediationsbüros“ und einer verstärkten Straßensozialarbeit auch die Einführung eines Platzdienstes. Zu dieser „Wachschutztruppe gehört ein Kirchenmitarbeiter sowie einer vom Marktbetreiber und ein professioneller Security-Mann“, welche die Einhaltung der neuen Regeln, wie das strikte Alkoholverbot, durchsetzen sollen. Die Absurdität dieses Dienstes zeigt sich auch daran, dass hier offen mit Polizei zusammengearbeitet wird, obwohl laut Eigenauskunft „keine Repression der lokal ansässigen Szene“ erfolgen soll. In letzter Konsequenz bedeutet dies eine Verzahnung sozialarbeiterischer Arbeit mit ordnungspolitischen Interessen.
Doch dieses neu erwachte Interesse an Ruhe, Ordnung und Sauberkeit kommt nicht von ungefähr. Am Anfang des gesamten Neugestaltungsprozesses standen vor allem die ökonomischen Interessen der ansässigen Gewerbetreibenden. Ausgehend von einer Unterschriftenkampagne des sogenannten „Händlerfrühstücks“ wurden Umgestaltungskonzepte erarbeitet. Um diese als “Verschönerung” getarnte Standortpolitik zu legitimieren, wurde der gesamte Prozess unter das Label der Bürgerbeteiligung gestellt. Das verantwortliche Gremium ist hierbei der „Runde Tisch Leopoldplatz“, in dem die Akteur*innen vernetzt sind. Gleichzeitig sollten durch ihn den Anwohner*innen die Möglichkeit gegeben werden, sich aktiv in den Umgestaltungsprozess einzubringen. Dieser Anspruch entpuppte sich jedoch schnell als Farce, sodass die Interessen der Menschen vor Ort in ihrer Vielfalt kaum Beachtung fanden. Stattdessen festigte eine vorwiegend „weiße“, deutsche, bürgerliche Mittelschicht ihre Etabliertenvorrechte, wie es das Quartiersmanagement im Wedding seit Jahren konsequent praktiziert.Vor diesem Hintergrund erscheint auch das Programm der Eröffnungsfeier als blanker Zynismus. Entspannte Flügelmusik, Diskussionsrunden mit politischen Verantwortlichen wie Carsten Spallek (CDU, Baustadtrat) oder Bausenator Michael Müller (SPD) und Salsa-Einlagen gehen komplett an den im Kiez bestehenden sozialen Realitäten vorbei.So erklärt sich auch die geringe Beteiligung, denn außer Bezirkspolitk, Kirchengemeinde, der Polizei und den Menschen vom “Runden Tisch” waren kaum Besucher*innen anwesend.
Dabei sind die stattfindenden Umstrukturieungsmaßnahmen eingebettet in einen umfassenderen Prozess der stadträumlichen Aufwertung vor Ort. Sie betreffen nicht nur die unmittelbar verdrängten Gruppen, sondern wirken sich direkt auf die örtlichen Mieten und damit das Leben aller Anwohner*innen aus. Schon heute gilt das Quartier um den Leopoldplatz als eines der Gebiete in Moabit und Wedding mit den höchsten Mietanstiegen bei Neuvermietungen. Ein Ausbau der Sicherheitsarchitektur ist hier nur die logische Konsequenz aus den Interessen nach einer optimierten kapitalistischen Verwertung des Kiezes. Profiteure sind vor diesem Hintergrund hauptsächlich die Händler*innen, der Marktbetreiber auf dem Leopoldplatz sowie die Immobilieneigentümer*innen, welche nun auf noch höhere Renditen hoffen können. Die Last der Aufwertungen liegt bei den derzeitigen Anwohner*innen gehen, die schon jetzt einen hohen Anteil ihres Einkommens für ihre Miete aufwenden müssen oder von staatlichen Transferleistungen (bspw. ALG II) abhängig sind. Die Umgestaltung des Leopoldplatzes führt somit nicht zu einer nachhaltigen Lösung der bestehenden sozialen Probleme vor Ort. Vielmehr werden sie durch den Prozess einer stadträumlichen Aufwertung weiter verschärft bzw. wie die Trinker*innen aus dem unmittelbaren Blickfeld verdrängt. Was auf dem “Leo” stattfindet, ist keine Anwohner*innen-orientierte Politik, sondern eine rein kosmetische Stadtpolitik gesteuert von privaten (Profit-)Interessen.
Schockierend ist dabei nicht zuletzt die Leichtfertigkeit, mit der sich Institutionen wie die Kirchengemeinde oder Gangway in diesem Prozess instrumentalisieren lassen und das Feigenblatt der sozialen Verantwortung spielen.