Die Verabschiedung der Eckpunkte für den sog. Mietendeckel Mitte Juni hat für einigen Wirbel gesorgt. Schaut man sich die Reaktionen einiger Akteur*innen und Nutznießer*innen der Immobilienwirtschaft an, werden scheinbar die richtigen Leute nervös: Angefangen beim unsäglichen «Mietencountdown» der Haus und Grund, einem Lobbyverband der Immobilienwirtschaft, bis zu den immer wiederkehrenden und komplett deplatzierten Planwirtschaft/Kommunismus-Vergleichen aus Reihen der CDU und AfD. Aber auch wenn eine solche kollektive Schnappatmung amüsant sein kann, ist der Mietendeckel für uns kein Grund zum Feiern.
Ein Deckel mit vielen Löchern
Der «Mietendeckel» ist kein Deckel, sondern lediglich ein Moratorium. Das heißt vor Allem: Erstmal bleibt alles, wie es ist. Den vielen Menschen in Berlin, die jetzt schon einen Großteil ihres Einkommens für ihre viel zu hohe Miete bezahlen müssen, hilft das wenig – sie haben weiterhin zu wenig Geld am Ende des Monats. Des Weiteren ist es im Moment noch offen, ob (und inwieweit) der Mietendeckel auch für Neubauten gilt: Dadurch sieht es so aus, als würde weiterhin nur Neubau im hochpreisigen Segment rentabel bleiben. Eine Aussicht auf mehr bezahlbaren Wohnraum gibt es also nicht. Auch bei Geschäftsmodellen wie möblierten Mikroapartments 1 und Co-Living wie z.B. Medici Living wird der Mietendeckel wirkungslos bleiben – denn wie schon bei der Mietpreisbremse sind auch möblierte Wohnungen und Zimmer von der Regelung ausgenommen. Ein Trend, der schon lange zu beobachten ist: Investoren nutzen gezielt Gesetzeslücken. Möglichkeiten für Investor*innen, auf Kosten Anderer mit Wohnraum Profit zu erwirtschaften, gibt es also weiterhin reichlich. Um es kurz zu machen: Das Mietenmoratorium ändert nichts daran, dass Wohnen in Berlin nun mal kein Menschenrecht, sondern eine Profitquelle für Immobilienunternehmen ist. Solange sich das nicht ändert, wird es weiterhin viel zu hohe Mieten, Zwangsräumungen und Angst um die eigene Wohnung geben.
Der Enteignungsdebatte soll der Wind aus den Segeln genommen werden
Dass das Mietenmoratorium zu einem Zeitpunkt kommt, an dem in Berlin rege über Enteignungen von großen Immobilienkonzernen diskutiert wird, sollte ebenfalls zum Nachdenken anregen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass dieser durch die Berliner SPD eingebrachte «Deckel» vor Allem einen Zweck hat: die erhitzten Gemüter zu beruhigen und Bewegungen mit konsequenteren Forderungen (wie Deutsche Wohnen & Co enteignen) den Wind aus den Segeln zu nehmen. Diese Strategie der Befriedung steht in langer sozialdemokratischer Tradition und hat schon oft dazu geführt, dass tatsächliche Lösungsansätze für soziale Fragen in die Bedeutungslosigkeit abrutschen. Wer muss schon Immobilienkonzerne enteignen, wenn niemand mehr Angst vor der nächsten Mieterhöhung haben muss? Ein «geregelter» Immobilienmarkt kann den Menschen in Berlin nicht das geben, was sie brauchen: bezahlbaren, sicheren Wohnraum.
Deswegen rufen wir dazu auf, weiter konsequent nach Lösungen jenseits von Marktlogik, Profitinteressen und Luxusappartments zu suchen. Das wird aber nur passieren, wenn die organisierten Mieter*innenbewegungen in Berlin weiter ihre Interessen artikulieren, weiter für ihr Recht auf bezahlbaren Wohnraum streiten und sich nicht von Befriedungsmaßnahmen der Berliner Politik abspeisen lassen.
Dieser Beitrag ist im September 2019 enstanden und in der „PLUMPE“ erschienen, eine Weddinger Kiezzeitung.