Wir dokumentieren an dieser Stelle einen uns zugesandten Bericht vom 11.04.2020 von Nachbar*innen aus dem Wedding. Falls ihr weitere Berichte und Alltagserfahrungen habt die sich an den bisher dokumentierten Reportagen der Solidarität während der Corona-Krise orientieren, sendet diese bitte an uns!
Am Samstag, den 11.4.2020 haben wir zu viert unter uns Mitbewohnerinnen (C., P., S., H.) in unserer Wohnung eine kleine Motto-Party (Motto: Gala) gemacht.
Wir haben ab ca. Mitternacht Musik gehört, die leicht über Zimmerlautstärke war, und haben dazu getanzt. Das Licht im Zimmer war gedimmt und wir hatten eine rote Lampe installiert. Da wir im 1. Stock zur Straße wohnen, waren sowohl das spezielle Licht als auch wir tanzend von unten zu sehen. Um kurz nach 2h haben wir für wenige Minuten das Fenster geöffnet, um zu lüften.
Um ungefähr 2.30 hielt sich P. beim Tanzen in der Nähe der Zimmertür auf. P. sah im zuvor noch strahlend hellen Spalt unter der Tür sich bewegende Schatten, was sehr unbehaglich war. Plötzlich wurde die Tür zum Zimmer aufgerissen. Zwei Polizisten standen in der Zimmer-Tür. Die Polizisten trugen schusssichere Westen und hatten Taschenlampen in der Hand. Wir schrien alle mehrmals sehr laut vor Schreck.
P. rief: “Wir sind 4 Leute!” und zeigte dabei “4” mit den Fingern. C. fügte hinzu: “Und wir wohnen alle hier!” Die Polizisten sagten “Die Musik ist zu laut” und wir stellten sie aus. Ob die Polizisten sagten, es hätte die Nachbarn gestört oder könnte die Nachbarn stören, wissen wir nicht mehr genau. P. und C. stellten sich im Türrahmen des Zimmers vor die Polizisten. S. und H. befanden sich zu diesem Zeitpunkt im hinteren Teil des Zimmers.
Die Polizisten begannen von sich aus, sich wieder Richtung Tür zu bewegen. P. fragte: “Wie sind Sie hier reingekommen?”. Einer der beiden antwortete: “Die Tür war offen.” P. fragte nach “Die Tür stand offen?” Der Polizist antwortete: “Wir haben vorher geklingelt. Haben Sie das nicht gehört?”. Und der andere sagte “Ich habe sie aufgemacht”. (!!!) Danach schlugen wir die Tür hinter ihnen zu. Sie kamen nicht zurück, um sich darüber zu beschweren.– Die Polizisten haben unsere Ausweise nicht kontrolliert.
– An den Balkonen unserer Wohnung hängen Transparente. Die Vermutung liegt nahe, dass die Polizisten auch deshalb übereifrig in ihrem Vorgehen waren. (Nach kurzer Beobachtung von der anderen Straßenseite hätte ersichtlich sein müssen, dass wir nur zu viert waren.)
– Die Corona-Situation wurde mit keinem Wort erwähnt.
– Die Polizisten kamen über einen zweiten Aufgang in unserer Wohnung, wo wir keine Gegensprechanlage haben. Auch die Klingel an der Tür ist extrem leise.
Zum Ausmaß der Lärmbelästigung: Das Zimmer liegt über einem Fahrradladen, rechts und links liegen zwei weitere Zimmer innerhalb unserer Wohnung und über dem Zimmer befindet sich unseres Wissens das Wohnzimmer der betreuten WG über uns. Die Lärmbelastung hielt sich daher unserer Einschätzung nach in Grenzen. Auf unsere Nachfrage, ob wir gestört haben, sagte die WG über uns am nächsten Tag, sie sei vom Klopfen der Polizei geweckt worden.
11.04.2020