Der Investor Einar Skjerven sorgte in den letzten Monaten in Berlin für Schlagzeilen, weil er während der Corona-Pandemie mehrere Häuser in Milieuschutzgebieten kaufte. Die Mieter*innen dieser Häuser machten damals gegen den Verkauf mobil und forderten die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Berliner Bezirke. Geklappt hat das nur bei drei aus 13 Häusern. Nun folgt der nächste Aufreger: Heimstaden Bostad AB, welche eng mit Skjerven verwoben ist, hat jetzt weitere 130 Häuser in ganz Berlin gekauft, insgesamt knapp 3000 Wohnungen für ca. 800 Millionen Euro. Heimstaden werden damit schlagartig zu einem der größten Vermieter Berlins. Momentan läuft eine berlinweite Kampagne zur Vernetzung der betroffenen Häuser.
Hintergrundinfo: Einar Skjerven und Heimstaden
Die SkjervenGroup GmbH ist die lokale Partnerin der Heimstaden Bostad AB, einem der größten schwedischen Wohnungsunternehmen. Die schwedische Firma Heimstaden befindet sich hauptsächlich in den Händen der norwegischen Fredensborg AS, welche wiederum dem norwegischen Milliardär Ivar Tollefsen gehört. Tollefsen besitzt 100 000 Wohnungen in Europa. Sein Vermögen wird von Forbes auf 2,9 Milliarden US Dollar geschätzt und er gilt nicht nur in seiner Heimat als skrupellos.
Skjerven hat seit 2006 auf dem deutschen und insbesondere Berliner Immobilienmarkt „Investitionen“ von über 1 Milliarde Euro getätigt. Die Skjerven Group und ihre zahlreichen Tochtergesellschaften haben sich vor allem auf die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und die Zerschlagung von Wohnung in Micro-Apartment spezialisiert. Skjerven ist außerdem der ehemalige Geschäftsführer von Heimstaden Deutschland.
Doch wie wohnt es sich in einem Skjerven-Haus? Auf die Frage, was Skjerven mit seinen neuen Häusern vorhat, kommt die Antwort: „Nichts. Es soll alles so erhalten bleiben, wie es ist.“ Ist das glaubhaft? Wir haben einigen Häusern, in denen Skjerven in der Vergangenheit aktiv war, einen Besuch abgestattet. Dabei wollten wir überprüfen, was langfristig mit Häusern passiert, die von Einar Skjerven gekauft wurden. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf der Leerstandsquote in den Häusern, der Umwandlung in Eigentumswohnungen und den Erfahrungen von Anwohnenden.
Wie haben wir recherchiert:
Wir haben jedes einzelne der genannten Häuser von Skjerven besucht und das Gespräch mit Anwohnenden und Nachbar*innen gesucht. Festzustellen, ob eine Wohnung leersteht oder nicht, ist nicht immer ganz einfach: in einigen Häusern waren Wohnungen sehr gut einsehbar. So konnten wir z.B. feststellen, dass keine Möbel in Wohnungen standen. Wenn wir uns unsicher waren, haben wir uns an den (leeren) Klingelschildern und Briefkästen sowie an den Berichten von Anwohnenden orientiert. Diese wissen meist sehr genau, wenn die Nachbarwohnungen seit Jahren leersteht.
Die Ergebnisse in Kürze:
Ausnahmlos alle untersuchten Häuser wurden überwiegend in Eigentumswohnungen umgewandelt und teilweise verkauft. Viele Anwohnende sind in den letzten Jahren ausgezogen – freiwillig, gegen finanzielle Entschädigung oder auch auf Druck des Eigentümers (wie in der Leibnizstr. 77-78 oder der Eisenzahnstraße). Durch unsere Recherche konnten wir belegen, dass Skjerven’s Geschäftsmodell darin besteht, Häuser möglichst schnell in Eigentumswohnungen aufzuspalten, Alteingesessene zu verdrängen und dann die Wohnungen mit größtmöglichem Profit weiterzuverkaufen. Sein Versprechen, dass sich in seinen neuen Häusern nichts ändern wird, erscheint daher haltlos.
Osloer Straße 114
„Unser Portfolio besteht momentan aus exquisiten Immobilien in den besten Lagen Berlins.„
– Skjervengroup über ihr Portfolio
Die Osloer Straße ist eine der belebtesten Straßen im Wedding. Das Haus verfügt über drei Aufgänge, insgesamt ca. 35 Wohnungen. „[…] Der dunkelgrün gehaltene Eingangsbereich schafft mit seiner Jugendstil Glaskunst und detailreichen Holzschnitzereien des Treppengeländers ein beeindruckendes Entrée. Hier werden Altbau-Träume wahr: hohe Decken, gut erhaltene Dielenböden und lichtdurchflutete Räume bieten höchste Wohnqualität.“ – so beschreibt ein Immobilienportal die Eigentumswohnungen in der Osloer Str. 114. Eine kurze Internetrecherche zeigt: aktuell stehen hier 10 leere Wohnungen zum Verkauf.
Unser Besuch im Haus zeigt:
– von den ca. 35 Wohnungen scheinen 11 leer zu stehen.
– Anwohnende berichten: die meisten der Wohnungen stehen schon seit Jahren leer.
– In den letzten Jahren hat mehrmals der Eigentümer des Hauses gewechselt.
– ein guter Teil der Wohnungen sind Eigentumswohnungen.
– was noch auffällt: viele der Anwohnenden berichten von der miserablen Hausverwaltung, die bei Schäden untätig bleibt und Reparaturen verschleppt.
Lützowstraße 21
Dieses Haus wurde nach Aussagen von Anwohnenden komplett von Skjerven gekauft (bzw. durch die Firma „A-State Immobilien„) und in Eigentumswohnungen umgewandelt. Die einzelnen Wohnungen sind jetzt zu absurden Preisen erhältlich. Momentan stehen augenscheinlich 3 der Wohnungen leer.
Die Werbung von A-State-Immobilien macht nochmal deutlich, was für ein Stadtbild Skjerven für Berlin im Sinn hat:
„Die Wohnungen der Lützowstraße sind in guter Gesellschaft: Mehrere (Luxus-) Neubauprojekte entstehen in der nächsten Nachbarschaft. Die Umgebung wird soeben wiederentdeckt, ähnlich wie Kreuzberg vor wenigen Jahren. Wo sich im Moment noch Baukräne drehen und mehr und mehr edle Wohnquartiere entstehen, sind bald schon Chic und Kultur beheimatet.“
– Werbung von A-State-Immobilien
Calvinstraße 28
Hier agiert die „SCP Koloniestraße GmbH & Co. KG“ als Eigentümerin, eine Tochter der Skjervengroup. Das gesamte Haus dient hier als Anlageobjekt, wie in diesem Exposé nachzulesen ist. Dort freut man sich über die Wohnungsknappheit in Berlin:
„In Deutschlands Metropolen ist Wohnraum knapp, weswegen die Mieten
– Aus einem Exposé
steigen. Optimale Bedingungen für Vermieter, die in Märkten wie Berlin keine
Leerstandsorgen haben.“
Die Anlagestrategie besteht (wie im Exposé erklärt) darin, zu kaufen, zu modernisieren, in Eigentumswohnungen aufzuteilen und diese dann zu verkaufen. Auch in diesem Haus stehen ca. 20% der Wohnungen leer.
Gotlandstraße 7
In der Gotlandstraße kommen uns die Erzählungen der Anwohnenden schon irgendwie bekannt vor: das Haus wurde 2015/16 komplett in Eigentumswohnungen umgewandelt und einzeln verkauft. Einige Wohnungen stehen immernoch leer.
Guerickestraße 32
Hier wird schon auf den ersten Blick deutlich, dass Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden: als wir vor dem Haus stehen, hängt an einem Balkon ein großes Banner mit „Eigentumswohnungen zu verkaufen“. Wie wir an den Klingelschildern ablesen können, stehen von den insgesamt 20 Wohnungen fünf leer. Wir kommen mit einem Mieter ins Gespräch, der uns erzählt, dass fast alle Wohnungen in Eigentum umgewandelt sind. Angeblich wurde Mieter*innen Geld geboten, um sie zum Auszug zu bewegen, damit die Eigentumswohnungen ohne „Altlasten“ verkauft werden konnten.
Leibnizstraße 77-78
Hier stehen scheinbar 11 der insgesamt 48 Wohnungen leer. Die meisten der Wohnungen wurden im Verlauf der letzten 4 Jahre in Eigentum umgewandelt, wie uns Anwohnende berichten. Besonders pikant ist hier, dass Altmieter*innen angeblich durch jahrlange Lärmbelästigung durch Sanierungsarbeiten in den Wohnungen zum Auszug gedrängt wurden – das berichten zumindest einige Bewohner*innen des Hauses. Auch hier wirbt A-State mit der exzellenten Lage des Hauses:
Charlottenburg ist ein kleines Shopping-Paradies. Das Luxus-Kaufhaus KaDeWe und der berühmte Kurfürstendamm mit eleganten Flagship Stores und zahlreichen Luxus-Brands sind weit über die Grenzen von Berlin bekannt und beliebt. Dazu zählen Brands wie Prada, Gucci, oder der Apple Store, um nur ein paar beim Namen zu nennen. Ebenso überzeugt die Design Shopping Mall Bikini Berlin, die direkt an der Gedächtniskirche gelegen ist. Eines der Highlights für viele Bikini Berlin Besucher ist der Blick auf das Affengehege des Zoologischen Gartens Berlin.
– aus dem Exposé für die Leibnizstraße 77-78