Gerald wurde heute vor zwei Jahren am 09.12.2019 mit Gewalt von der Polizei zwangsgeräumt. Seine Wohnung stand noch mehr als ein Jahr leer. Aktivist*innen haben letzte Nacht die Gelegenheit genutzt, den Ort der Verdrängung zu markieren und haben eine Gedenkfliese hinterlassen.
Was war passiert?
Am 09.12.19 fand die Zwangsräumung von Gerald aus seiner Wohnung in der 4. Etage (links) in der Soldiner Straße 106 statt. Mehr als 50 solidarische Nachbar*innen kamen vor dem Haus zusammen, um gegen die Räumung zu protestieren. Die Berliner Polizei war mit ca. 50 Beamt*innen vor Ort, versperrte die Eingänge zum Haus und verschaffte der Gerichtsvollzieherin durch einen Nebeneingang Zugang zur Wohnung. Gerald wurde zwangsgeräumt und musste in eine Wohnungslosenunterkunft ziehen.
Der Zwangsräumung waren viele Versuche des Eigentümers Doron Avraham vorausgegangen, Gerald aus seiner Wohnung zu verdrängen. Gerald wohnte jahrelang ohne nutzbare Dusche und musste seine Körperpflege bei Freunden oder im Schwimmbad erledigen. Eine Mietminderung von Gerald führte zu einem längeren Rechtsstreit und war der Auslöser für die Zwangsräumung. (Die gesamte Geschichte findet ihr hier).
Dies passt zur Entmietungsstrategie des Eigentümers Doron Avraham die folgendermaßen aussieht: Jahrelang hat Avraham absichtlich notwendige Instandhaltungsarbeiten nicht durchgeführt und seine Häuser systematisch verkommen lassen, um alteingesessene Mieter*innen zu vertreiben. Dazu gehören auch illegale Aktionen wie Hausfriedensbruch oder spontaner Schlössertausch, wie im Fall Gerald. Doron Avraham nennt diese Verdrängung selbst „Mieterumbau“.
Wie kann das sein?
Trotz des kriminellen Verhaltens des Eigentümers, seinem verantwortungslosen Umgang mit dem Eigentum und seiner offensichtlichen Entmietungsstrategien wurde die Zwangsräumung von Gerald mit Gewalt durchgesetzt. Die Wohnung stand noch mindestens ein weiteres Jahr leer. Leerstand ist ab über drei Monate durch das Zweckentfremdungsgesetz verboten. Von Seiten des Bezirkes wurde nichts kontrolliert, keine Verfahren oder Maßnahmen wie Beschlagnahmung eingeleitet.
Bei Leerstand wird teils über Jahrzehnte nichts gemacht – bei Zwangsräumungen stehen aber mehrere Hundertschaften an bewaffneten Polizist*innen auf der Türschwelle. Dieser offensichtliche Widerspruch zeigt zum wiederholten Male den Klassencharakter dieses Systems. Lohnabhängige werden sofort zwangsgeräumt – Eigentümer*innen können jahrelang gegen (unzureichende) Gesetze verstoßen ohne Konsequenzen zu fürchten. Es gehen nicht täglich 50 Polizist*innen durch Häuser und überprüfen, ob die Eigentümer*innen gegen Gesetze verstoßen und enteignen sie bei Vergehen. Es wird aber täglich zwangsgeräumt, um den Profit der Eigentümer*innen abzusichern und die Politik rollt ihnen auch noch den roten Teppich aus. Unser Recht auf Wohnen wird nicht geschützt, sondern täglich mit Füßen getreten. Deswegen:
Leerstand enteignen!
Wohnraum demokratisieren!
Hände weg vom Wedding
09.12.2021