Als Hände weg vom Wedding unterstützen wir die wichtigen Forderungen der Kampagne für ein umfassendes Streikrecht. Das aktuelle Streikrecht in Deutschland, in juristischer Tradition zu einem gewichtigen Teil vom deutschen Faschismus und damit aus dem mörderischen Antikommunismus sowie der Gewerkschaftsfeindlichkeit gespeist, ist massiv rückständig und restriktiv gegenüber uns Lohnabhängigen und unseren Interessen.
Es versucht beispielsweise sogenannte verbandslose („wilde“) oder politische Streiks zu verhindern und die arbeitende Klasse in die Sozialpartnerschaft aus Kapital und Gewerkschaften zu pressen. Dagegen eindrucksvoll waren die selbstbewussten, kämpferischen und politischen Streiks der letzten Zeit, die sich nicht zähmen ließen- ob Klimastreiks oder die Streiks der Lieferant*innen von Gorillas, Lieferando & Co.
Damit sich Belegschaften auch unter prekären, unsicheren Arbeitsverhältnissen kämpferisch zusammenfinden, den Mut fassen gemeinsam in den Arbeitskampf zu gehen, Solidarität leben, sich auch außerhalb der eigenen Betriebskämpfe aktiv für ein menschenwürdiges Leben einbringen, braucht es politische Belegschaften. Als Stadtteilorganisierung arbeiten wir permanent daran, diese im Rahmen unseres Solidaritätstreffs, in der Sozialen Arbeit, mit unseren lohnabhängigen Kolleg*innen zu schaffen. Weitere Bemühungen werden folgen. Politische Belegschaften und konkrete betriebliche Verankerung sind der Schlüssel für erfolgreiche Kämpfe gegen die Zumutungen des Staates, des Kapitals und ihrer Sozialpartner.
Aus der Kampagne für ein umfassendes Streikrecht wird am 10.12.2022 unter dem Motto „Streikrecht ist Menschenrecht“ eine Saal-Kundgebung am Tag der Menschenrechte geben. Mit dabei sind kämpferische Kolleg*innen aus Betrieben, Gewerkschaften, politischen Initiativen und weitere. Wir sind selbstverständlich mit von der Partie. Weitere Informationen zur Veranstaltung sind weiter unten zu finden.
Wir dokumentieren hiermit unser Grußwort, welches als Redebeitrag die Eröffnung der Kampagne begleiten wird:
Liebe Arbeiter*innen, Genoss*innen, Freund*innen,
wir sind die Gruppe Hände weg vom Wedding und bedanken uns herzlich bei der „Kampagne für ein umfassendes Streikrecht“ für die Möglichkeit heute zu euch sprechen zu können. Für uns als sozialistische Stadtteilorganisation sind Arbeitskämpfe fester Bestandteil unserer Basisorganisierung in unserem Stadtteil. Bereits seit 2020 organisieren wir in unserem sozialen Zentrum „Kiezhaus Agnes Reinhold“ den Solidaritätstreff Soziale Arbeit. Hier treffen und vernetzen sich an jedem dritten Mittwoch im Monat Kolleg*innen aus sozialen Berufen. Gemeinsam tauschen wir uns aus und unterstützen einander solidarisch bei betrieblichen Auseinandersetzungen und Kämpfen. Wir sind gewerkschaftlich organisiert und aktiv in Betriebsräten, Betriebsgruppen, Personalräten und Mitarbeitervertretungen.
Es ist bekannt, dass der (aktuelle) gewerkschaftliche Organisierungsgrad in der Sozialen Arbeit (noch) katastrophal ist. In vielen Betrieben, sind die Löhne gering, die Belastungen hoch und dennoch gibt es keine Betriebsräte und aktive Gewerkschafter*innen. Herrschsüchtige Geschäftsführungen behindern unsere Kolleg*innen durch union busting und andere gewerkschafts- und betriebsratsfeindliche Aktionen, ihre Rechte als Arbeiter*innen wahrzunehmen. Hinter der sozialen Rhetorik verbirgt sich (in vielen Betrieben) schlussendlich eine neoliberale Praxis. Wer sich mit den Arbeitsbedingungen nicht zufrieden geben will, soll halt den Träger wechseln oder die Klappe halten, schließlich habe man sich bewusst für diesen Bereich und diese Arbeitsverhältnisse entschieden. Von wegen! Wir sind dabei uns praktisch zu organisieren gegen diese Rechtfertigung von Unterbezahlung und Burn Out.
Daher freuen wir uns und begrüßen die Kampagne für ein politisches Streikrecht. Was uns miteinander verbindet ist nicht nur die Unzufriedenheit mit prekären Arbeitsbedingungen und undemokratischen Betrieben, sondern auch mit einem politischen System, dass uns ausbeutet, dass uns rassistisch und sexistisch unterdrückt. Uns verbindet die Unzufriedenheit mit einem unerträglichen System, das Armut, Obdachlosigkeit, Wohnungskrise, Krieg, Klimawandel und die Zerstörung der Natur zu verantworten hat.
Für viele unserer Kolleg*innen und Kollegen sind diese politischen Themen ebenso wichtig, wie für uns als Sozialist*innen. Es reicht nicht alle vier Jahre an die Wahlurne zu treten und ein Kreuz bei einer der Parlamentsparteien zu machen. Das ideelle Versprechen der liberalen Demokratie, die Bevölkerung in allen politischen Fragen demokratisch zu beteiligen wird dadurch nicht eingelöst. Der Schlüssel zu einer sozialen, sprich sozialistischen Demokratie ist nicht die parlamentarische Wahlurne, sondern sind politische Betriebe, Schulen und Wohnhäuser. Ein Hebel zur Verwirklichung dieser sozialen Demokratie ist letztendlich der politische Streik. Und diese Streiks sind angesichts unserer Ausbeutung und der globalen Zerstörung von Lebensgrundlagen bitter nötig. Sie schaffen kurze Eindrücke der Tragweite von Gegenmacht, wenn beispielsweise der Export von Kriegsgütern blockiert wird oder gemeinsam als Kolleg*innen am Klimastreik teilgenommen wird.
Für einen politischen Streik, braucht es aber aus unserer Sicht auch politische Betriebe. Es reicht nicht für ein Recht auf Streik zu kämpfen. Wir müssen es ebenso schaffen, in unseren Betrieben politische Strukturen aufzubauen. Die politische Debatte muss in den Betrieben geführt werden, auf den Sitzungen der Betriebsräte, in den Betriebsversammlungen sowie in Arbeitsgruppen, Komitees und Ausschüssen. Dazu tragen auch die Betriebsgruppen und ihre Vertrauensleute in den Betrieben bei, die noch freier und offener politische Fragen im Betrieb auf die Agenda setzen können. Es freut uns zu sehen, dass die Frage von betrieblicher Mitbestimmung, so kümmerlich sie von der Sozialdemokratie nach der Novemberrevolution und dem folgenden Verrat zurückgestutzt wurde, für viele Kolleg*innen zunehmend wichtiger ist. Und diese kümmerlichen Instrumente und Orte des betrieblichen Zusammenkommens können Ausgangspunkte und -orte politischer Diskussionen in der Belegschaft sein.
So begleiten wir Kolleg*innen, diese bescheidenen Instrumente als Bühne für eine klassenorientierte Betriebspolitik selbstbewusst zu nutzen. Daran gilt es anzuknüpfen! In Zeiten von Krieg und Krise, von Energiespartipps und Verzichtsforderungen von Kapital und Staat, müssen wir die politischen Diskussionen im Sinne unserer Klasse in die Betriebe tragen. Dies kann nur gemeinsam mit den Kolleg*innen gelingen. So schützen wir uns gegen das Einlullen durch die Geschäftsführung und die konfliktunfähige Sozialpartnerschaft der Gewerkschaften. Als Belegschaften müssen wir in Bewegung kommen: Gemeinsam wollen wir mit unseren Kolleg*innen raus auf die Straße. Daran kontinuierlich zu arbeiten, die Interessen als Arbeiter*innen zu artikulieren und Solidarität als Kolleg*innen im Betrieb zu leben: Das ist unsere Funktion als Revolutionär*innen.
Wir rufen euch daher dazu auf, euch in den Betrieben keinen politischen Maulkorb verpassen zu lassen, sondern stattdessen, politische Strukturen und das Bewusstsein als Lohnabhängige zu schaffen, die gesellschaftlichen Kämpfe gegen Ausbeutung und Unterdrückung, gegen die wir streiken müssen, auch in die Betriebe zu tragen. Dies ist die Voraussetzung, sich im Sinne eines umfassenden, eines politischen, Streikrechts die Straßen und Betriebe erfolgreich zu nehmen und für eine lebenswerte Zukunft kämpfen zu können.
In diesem Sinne: Wenn wir die Arbeit niederlegen, steht die Welt still!
Für ein umfassendes Streikrecht und eine politische und soziale Betriebskultur!
Sa., 10.12., Saal-Kundgebung „Streikrecht ist Menschenrecht!“ | 18 Uhr | Kiezraum auf dem Dragonerareal (Mehringdamm, an der Einmündung der Obentrautstraße/ hinter dem Finanzamt, 10963 Berlin