Wie erwartet hat der Bezirk Mitte nicht das Vorkaufsrecht für das Haus in der Seestraße 110 ausgeübt und es damit verpasst, die Hausgemeinschaft vor Verdrängung zu schützen. „Hände weg vom Wedding“ und das offene Angebot Mietenwahnsinn Nord unterstützen die Hausgemeinschaft natürlich weiterhin in ihrem Kampf gegen Verdrängung. Wir teilen hier die Pressemitteilung der Hausgemeinschaft, die ihre Enttäuschung über die Bezirkspolitik beschreibt.
Wollt ihr diese und andere Hausgemeinschaften unterstützen? Dann kommt zu den Treffen von Mietenwahnsinn Nord!
Am heutigen Dienstag endet die Vorkaufsfrist des Bezirkes Mitte für das Grundstück
Seestraße 110. Das Mietshaus mit 27 Wohneinheiten wechselt damit in den Besitz eines privaten Investors, das Vorkaufsrecht bleibt ungenutzt. Die Mieterversammlung des
Hauses wirft dem Bezirksamt Mitte Versäumnisse beim Milieuschutz vor.Sie fordert politische Konsequenzen, um Bewohnerinnen und Bewohner in den Berliner Milieuschutzgebieten zukünftig besser gegen behördliche Untätigkeit abzusichern:
Vorkaufsentscheidungen sollten stärker von den Bezirksparlamenten überwacht werden können.
Bezirksamt bleibt mutlos
Die Mieterversammlung kritisiert, dass das Bezirksamt Mitte unter der Leitung des
verantwortlichen Bezirksstadtrats für Stadtentwicklung, Ephraim Gothe (SPD), die Vorkaufsfrist ohne ernsthafte Bemühungen verstreichen lassen hat. Erst in der siebten Woche der zwölfwöchigen Vorkaufsfrist haben Mitarbeiter des Bezirksamtes eine Inspektion des Mietshauses durchgeführt. Dabei wurde nur rund ein Viertel der insgesamt 27 Wohneinheiten überprüft.Christoph Mayer, Sprecher der Mieterversammlung Seestraße 110, sagt: „Herr Gothe und das Bezirksamt haben alle Ansprüche vermissen lassen, um die Voraussetzungen für die Anwendung des Vorkaufsrechts zu schaffen. Dabei hat der Senator für Stadtentwicklung, Christian Gaebeler, unlängst erkennen lassen, dass das Land Berlin den Vorkauf des Hauses bezuschussen kann – sofern der Bezirk Mitte das Geld dafür anfrage.“
Zuvor hatte das Bezirksamt Mitte die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft STADT und LAND beauftragt, den öffentlichen Zuschussbedarf für das Haus zu ermitteln. Gothe teilte der Zeitung „Tagesspiegel“ am 18. September daraufhin mit, dass er Gesprächsbedarf bei den für die Entscheidung über den Vorkauf verantwortlichen Senatsverwaltungen angemeldet habe.
„Wir bezweifeln allerdings, dass Herr Gothe seinem Parteikollegen Gaebler ein entsprechendes Begehren über die nötigen Zuschussmittel übermittelt hat. Sonst hätten sich der Bezirk und das Land Berlin vermutlich schnell einigen können“, sagt Mayer weiter. So aber bleibt es dabei, dass der private Investor Ronny Pifko und Gründer der Schweizer Immobilienfirma BlueRock Group ab dem 10. Oktober als neuer Eigentümer im Grundbuch geführt wird.
Schikane als Verdrängungsinstrument
Den Mieterinnen und Mietern des Hauses stehen nun unsichere Zeiten bevor. Für den Bezirk Mitte liegen unzählige dokumentierte Fälle vor, in denen Mieterinnen und Mieter in den vergangenen Jahren von Investoren und Verwaltungsfirmen schikaniert worden sind und
infolgedessen ihre Wohnungen verlassen haben.
Julian Löffler, aktiv in der Stadtteilorganisierung „Mietenwahnsinn Nord“, sagt:
„Die Ausübung des Vorkaufsrechts wäre ein wichtiges Signal in Richtung einer freilaufenden
Immobilienbranche gewesen. Am Ende findet sich aber immer ein Grund, warum man dieses
eine Haus gerade nicht retten kann. Das Beispiel Seestraße 110 zeigt: Auf die staatlichen
Institutionen können wir nicht vertrauen. Für die Mieterinnen bedeutet die Tatenlosigkeit des Bezirksamtes nun in permanenter Sorge leben müssen, verdrängt zu werden. Wir werden unsere Freundinnen in der Seestraße 110 weiterhin dabei unterstützen, für die Durchsetzung
ihrer Interessen zu kämpfen.“
Rechte der Bezirksparlamente stärken
Die inzwischen gut organisierten Mieterinnen und Mieter der Seestraße 110 erwarten von der
Berliner Politik, dass sie aus den Versäumnissen in Mitte Konsequenzen zieht. Leila Reese, Sprecherin der Mieterversammlung, erklärt: „Für zukünftige Abwehrkämpfe müssen bessere politische Voraussetzungen geschaffen werden. Die Bezirksparlamente brauchen mehr Mitsprache und Überwachungsmöglichkeiten bei der Vorkaufspraxis der Bezirksämter. Wir selbst werden davon nicht mehr profitieren, aber hoffentlich einen Anstoß zum besseren Schutz für andere Mieterinnen und Mieter geben können.“