Ein anstrengendes Jahr liegt hinter uns! Wir wollen den Jahreswechsel zum Anlass nehmen, einen Blick auf unsere aktuelle mietenpolitische Arbeit zu werfen. Im Wedding hat sich einiges getan, und wir sind nur selten dazu gekommen unsere Praxis zu dokumentieren. Mit diesem Text wollen wir diesen Mangel teilweise aufholen und von einigen der zahlreichen Prozesse berichten, an denen wir letztes Jahr beteiligt waren.
Seit mehreren Jahren organisieren wir Hausgemeinschaften im Kampf gegen Verdrängung, Aufwertung und Betrug bei den Nebenkosten. Gleichzeitig haben wir uns vom „Mobilizing-Ansatz“ verabschiedet und weniger Kundgebungen, Podiumsdiskussionen und andere „klassische politische Formate“ organisiert. Unser Konzept für diese Arbeit und einige grundlegende Überlegungen zu materiellen Mietenkämpfen findet ihr hier.
Unser Konzept ist dabei auch ein Ergebnis der sich verschlechternden rechtlichen Situation für Mieter*innen (ausgehöhltes Vorkaufsrecht, gekippter Mietendeckel…), des verschleppten Volksentscheids um die Enteignung von großen Immobilienkonzernen und einer schwachen bundesweiten Mietenbewegung. Unser Hauptanliegen ist aktuell, diese Bewegung von unten (wieder) aufzubauen. Dabei war uns von Anfang an klar, dass der Aufbau von aktiven und politischen Hausgemeinschaften ein langfristiger Prozess ist, der viel Geduld und konsistente Arbeit erfordert. Letztes Jahr hat sich diese Geduld bezahlt gemacht, und wir konnten gemeinsam mit den Hausgemeinschaften, mit denen wir arbeiten, zahlreiche Erfolge gegen die Zumutungen von Vermietern verbuchen.
Bespiel 1: Die Groninger Straße 3-5 und der Kampf gegen spreewater
Die Geschichte der Hausgemeinschaft der Groninger Straße begann mit dem gemeinsamen Kampf um das Vorkaufsrecht. Dieses war über Jahre eines der wenigen Instrumente, welches zumindest in Einzelfällen wirkungsvoll vor Verdrängung schützen konnte. Der neue Eigentümer „spreewater“ formulierte seine Aufwertungspläne überraschend offen:
„Wir sind überzeugt, dass die Mieten – vor allem in beliebten Wohngegenden wie dem Leopoldkiez – weiter steigen werden und auch die Kaufpreise für Wohneigentum dem Aufwärtstrend folgen werden.“ – Frederik Seibert, spreewater
„Hier wollen wir künftig durch die energetische Modernisierung des Gebäudes in Kombination mit einer Dachaufstockung hochwertigen, modernen Wohnraum anbieten.“ – Moritz Bruch, spreewater
Nachdem sich die Hausgemeinschaft vergeblich beim Bezirk für die Ausübung des Vorkaufsrechts einsetzte und der Kauf abgeschlossen war, begannen prompt die Verdrängungsversuche: einigen Mieter*innen wurde (rechtswidrig) gekündigt, anderen wurde mit Kündigung gedroht. Außerdem engagierte spreewater einen Mann für „strukturierte Mietergespräche“: ein Euphemismus für „Mieterhöhungen erpressen“.
Angehörige der Hausgemeinschaft wurden dabei unangemeldet im Hausflur bedrängt und teilweise durch die Straßen verfolgt. Hier begann unsere Unterstützung: Wir standen den Mieter:innen bei den Gesprächen mit spreewaters Handlanger, der gleich viel zurückhaltender war, bei. Eine Reihe von illegalen Mieterhöhungen konnten wir so gemeinsam verhindern.
Gerade finden regelmäßige Hausversammlungen statt, die wir eng begleiten und nach Kräften unterstützen. Es ist zu befürchten, dass spreewater im kommenden Jahr mit umfangreichen Bauarbeiten die Anwohnenden zum Auszug treiben will, um die Wohnungen dann in Luxusapartments zu verwandeln.
Wir sagen: keinen Fußbreit den Investoren! spreewater hat sich mit der falschen Hausgemeinschaft angelegt, denn die Mieter*innen sind gut vernetzt und wir sind motiviert die Verdrängsungspläne von spreewater zu einem Fiasko zu machen.
Beispiel 2: Die Maxgärten und falsche Nebenkostenabrechnungen
Die Maxgärten sind ein Häuserkomplex oberhalb des Leopoldplatzes, der ca. 150 Wohnungen umfasst. Hier sind wir seit Ende 2022 aktiv, als viele der Mieter:innen mit extrem hohen Nebenkostennachzahlungen bis 3500€ konfrontiert waren. Im Jahr 2023 waren wir gut vorbereitet und legten mit vielen Mieter:innen Widerspruch gegen die Abrechnungen ein – und hatten Erfolg! Die Abrechnungen waren offensichtlich zu hoch. Alle Mieter*innen, die mit uns Widerspruch eingelegt hatten, konnten ihr Geld behalten. Insgesamt konnten wir gut 50.000€ vor der Hausverwaltung retten. Seitdem bauen wir eine kämpferische Hausgemeinschaft auf und konnten im letzten Jahr weitere Erfolge feiern.
Die Probleme in den Maxgärten sind zahlreich: über Jahre hatte sich die von-Rüden-Hausverwaltung geweigert, notwendinge Instandhaltungen durchzuführen. Eine bröckelnde Fassade, kaputte Fenster, zahlreiche Wasserschäden und Schimmel in vielen Wohnungen waren die Folge. Einige der Mängel in den Wohnungen haben wir dann gemeinsam mit Bewohner:innen an die Bauaufsicht gemeldet, wodurch die Hausverwaltung zum Handeln und der Beseitigung der Mängel gezwungen werden konnte.
Wie die Groninger Straße wurden auch die Maxgärten 2023 an den nächsten Investor verkauft. Trotz der bekannten erheblichen Mängel wurde auch hier das Vorkaufsrecht durch den Bezirk nicht ausgeübt. Auch hier muss sich die Hausgemeinschaft also mit einem neuen Investor und der Angst vor Verdrängung auseinandersetzen.
Mit den aktiven Mieter:innen des Hauses haben wir daraufhin einen Aktiventreff aufgebaut und treffen uns regelmäßig, um eine Struktur zu etablieren, die gemeinsam auf neue Probleme mit dem Investor reagieren kann und Informationen ins Haus trägt. Dies hat sich dann im Herbst 2024 bezahlt gemacht, als erneut die Nebenkostenabrechnung mit viel zu hohen Nachzahlungsforderungen reinflatterten. Diesmal konnten wir noch einmal mehr Menschen als im Vorjahr motivieren, sich gemeinsam gegen die falschen Abrechnungen zur wehren. So konnten wir mehr als 60.000€ von der Hausverwaltung zurücholen. Im neuen Jahr werden wir uns im Aktiventreff mit dem neuen Vermieter auseinandersetzen und unter Anderem die umfangreichen Reparaturen, die seit Jahren überfällig sind, einfordern.
Aus den Maxgärten konnten wir zudem Menschen gewinnen, die auch außerhalb des eigenen Hauses für die Mieter:innen im Wedding aktiv werden wollen und ihre Erfahrungen und Wissen mittlerweile in Kämpfe in anderen Häusern einbringen.
Was haben wir gelernt?
Beide Beispiele zeigen uns, dass es trotz einer sich zuspitzenden Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt und eines steigenden Verdrängungsdrucks durch die Vermieter möglich ist, sich zu wehren und gemeinsam Erfolge zu erstreiten. Nachhaltigen Erfolg haben wir da, wo Mieter*innen sich als Hausgemeinschaft gemeinsam wehren und sich so gegenseitig vor Repressionen durch den Vermieter schützen. Eine wehrhafte Hausgemeinschaft ist das einzige wirkliche Mittel, um gegen Verdrängung in der Nachbarschaft vorzugehen und dafür zu sorgen, dass alle Menschen die in einem Haus wohnen, auch dort wohnen bleiben können. Auf das Wohlwollen der Bezirkspolitik sind wir in unserer Arbeit glücklicherweise nur noch selten angewiesen, sondern gehen direkt mit den Hausgemeinschaft in den Konflikt gegen den Vermieter/die Hausverwaltung. Unser politischer Alltag findet dabei weniger bei Kundgebungen auf der Straße, sondern in Wohnzimmern und Gemeinschaftsräumen statt.
Die Struktur von „Hände weg vom Wedding“ hat diese Entwicklungen in vielerlei Hinsicht unterstützt: unsere Stadtteilzentren „Interbüro“ und „Kiezhaus Agnes Reinhold“ sind unverzichtbare Räumlichkeiten, wo wir mit Nachbar*innen in Kontakt kommen und Hausversammlungen organisieren können. Die verbindliche Organisierung und der Austausch mit anderen Genoss:innen hat uns dabei geholfen, langfristig und verlässlich einen politischen Ansatz zu verfolgen, zu reflektieren und immer wieder anzupassen.
Was kommt 2025 auf uns zu?
Wir ziehen ein positives Resümee des letzten Jahres und werden weiter Hausgemeinschaften im Wedding gegen Verdrängung und überhöhte Nebenkosten organisieren. Unsere Arbeit in den letzten Jahren und die Erfolge des Jahres 2024 haben gezeigt, dass wir materielle Gewinnen mit denjenigen erzielen können, bei denen jeder Cent zählt. Damit das klappt, bilden wir uns gegenseitig weiter, holen neue Aktive in unsere Strukturen und diskutieren intensiv die Aufbauprozesse in unseren aktuellen Hausgemeinschaften.
Abseits von unseren Hausgemeinschaften des Weddings müssen wir uns mit den politischen Geschehnissen auf Landes- und Bundesebene auseinerandersetzen, die uns als Lohnabhängige stark betreffen.
Der Berliner Senat rund um Bürgermeister Kai Wegner hat den Rotstift gezückt und jede Menge sozialer, kultureller und pädagogischer Angebote weggekürzt und Gelder gestrichen. Dies bedroht die sozialen Strukturen und die kulturelle Vielfalt unserer Stadt und trifft jene am härtesten, die am wenigsten haben. Gleichzeitig wird auf Bundesebene die Militarisierung vorangetrieben und mit jeder Menge Geld aus den Kassen der Länder gefüttert.
Mit Blick auf die Bundestagswahl 2025 bedeutet das für uns, dass wir uns keinen Illusionen hingeben müssen, dass irgendeine neue Bundesregierung der Wohnungskrise etwas entgegensetzen wird. Stattdessen blicken wir mit Sorge dem Auslaufen der Mietpreisbremse entgegen und müssen mit einer weiteren Eskalation auf dem Berliner Wohnungsmarkt rechnen.
Auf diese Situation müssen wir vorbereitet sein. Dies können wir nur, wenn wir uns in unseren Häusern, Kiezen und in ganz Berlin zusammentun und unsere Frustration über die gegenwärtige Situation auf die Straße bringen. Das werden wir bei den Sozialprotesten vor der Bundestagswahl tun, bei der großen Mietenwahnsinnsdemo in Berlin Anfang Juni, sowie bei der jährlichen Demo von Hände Weg vom Wedding am 30.04.
Wir rufen also alle Mieter:innen im Wedding und in ganz Berlin dazu auf, es den Häusern in der Groninger Straße und den Maxgärten gleichzutun und sich gemeinsam zu organisieren. Informiert eure Nachbar:innen über Beschiss bei den Nebenkosten und überteuerte Mieterhöhungen, unterstützt euch gegenseitig und lasst niemanden allein im Konflikt mit Vermietern und Hausverwaltung.
Wenn ihr uns und unsere Arbeit kennenlernen wollt, kommt am 30.01.2025 um 19.00 ins Kiezhaus Agnes Reinhold zu unserem Neuentreffen und diskutiert mit uns gemeinsam darüber, was die Kürzungen des Senats für die Berliner Mieter:innen konkret bedeuten und wie wir als Mietenbewegung dagegen aktiv werden können.
Die Praxiseinheit Mietenkampf von Hände weg vom Wedding, Januar 2025