Stellungnahme zur Berliner Kampagne: Ban Racial Profiling – Gefährliche Orte abschaffen!

 
Stellungnahme zur Berliner Kampagne: Ban Racial Profiling! oder warum es scheiße ist, dass unsere Nachbar*innen jeden Tag im Kiez schikaniert werden!
 
Traurige Alltäglichkeit
 
Jeden Tag müssen Menschen, die nicht zur „weißen Merheitsgesellschaft“ gehören, Rassismuserfahrungen machen. Schwarze Menschen, PoC´s, Romni_ja* und vermeintlich muslimische Personen und andere werden häufiger nach Fahrschein, Personalausweis oder Aufenthaltserlaubsnis gefragt. Bei Razzien an Bahnhöfen treffen solche Maßnahmen durch Polizei oder private Sicherheitsdienste sogar häufig ausschließlich diese Menschengruppen. Grund dafür ist das sog. Racial Profiling. Dieser Begriff beschreibt die Praxis der Polizei Menschen wegen ihrer Haar- und/oder Hautfarbe zu schikanieren. Der Wedding bildet da leider keine Ausnahme – im Gegenteil: Im Wedding liegen besonders viele sog. kriminalitätsbelastete Orte. Diese Orte geben der Berliner Polizei die Narrenfreiheit, noch unverfrorener rassistisches Verhalten auszuleben. Grund genug sich einzumischen!
 
 
Sicherheit? Für wen eigentlich?
 
Der permanente Kontrollzustand schleicht sich in unseren Alltag. Dieser wird durch Polizei oder Private mit dem gestiegenen Bedürfnis der Bürger*innen nach mehr Sicherheit gerechtfertigt. Kaum ein Tag vergeht ohne Schreckensmeldung von Anschlägen oder Bedrohungen durch diese. Eine Debatte über mehr Sicherheit wird uns durch Politik und Presse regelrecht aufgezwungen. Doch wie eine willkürliche Razzia am U-Bahnhof Pankstraße – bei der natürlich alle PoC´s doppelt so lange kontrolliert werden – jetzt genau einen Anschlag verhindern soll, hat dem Verfasser dieser Zeilen noch kein/e Polizist/in verständlich erklärt.
 
Vielleicht geht es ja auch um etwas ganz anderes. Unsere Sicherheit ist ja vielleicht gar nicht gemeint. Schließlich haben wir als Vollzeit Arbeite*innen, Lohn-geprellte, Schüler*innen, Student*innen oder Erwerbslose kaum die Möglichkeit, unsere Bedürfnisse wirksam in die Parlamente einzubringen. Interessant für diese sind nämlich, ausgenommen in den Wochen vor wichtigen Wahlen, nur die Interessen von Menschen, die genug Kapital haben. In der Nachbarschaft z.B. um dann in exklusiven Wohnraum zu investieren oder mit Grundstücken und Häusern zu Lasten der Bewohner*innen zu spekulieren.
 
Wir beobachten seit Jahren: das Interesse nach Sicherheit für ihre Geldanlagen ist scheinbar wirklich von Bedeutung. Warum patrouliert sonst an jedem Neubauprojekt im Kiez im halbstündigen Takt ein Polizeiauto oder ein Security„-Unternehmen? Warum werden Zwangsräumungen mit Polizeiaufgeboten durchgesetzt und Menschen auf die Straße geworfen? Wir merken bereits an diesen einfachen und erfahrbaren Beispielen: es geht nicht um irgendeine „Sicherheit“, sondern um die Absicherung und Durchsetzung von Kapitalinteressen. Racial Profiling ist eine Ausdrucksform, diese angebliche Sicherheit in Bahnhöfen und auf Straßen vorzugaukeln. Diskriminierung mit System gegen alle, die nicht der rassistischen Vorstellung des aufgewerteten Stadtteils entsprechen.
 
Ghetto – Laboratorium – Luxus. Für wen?
 
Im Wedding dreht der agressive Berliner Aufwertungswirbel weiter seine Runden. Den Ruf als soziales Elendsquartier hat der Wedding schon lange nicht mehr. Viel mehr befinden wir uns in einer Phase des Laboratoriums. Das heißt, es gibt eine soziale Mischung, wie sie vielleicht vor ein paar Jahren noch in Nord-Neukölln zu finden war: Alteingesessene, frisch Verdrängte aus anderen Kiezen, Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen – alle mit wenig Kohle. Doch die kommenden Luxus-Neubauprojekte sind teilweise bereits bezogen oder fast bezugsfertig und der Mietspiegel von 2017 mit seiner Mieterhöhung von durchschnittlich 10% (im Wedding dürfte er weitaus höher liegen) trägt seinen Rest dazu bei. Um die Illusion von „Sicherheit“ als Investitionsanreize für Immobilienspekulant*innen verkaufen zu können, wird somit auch die Überwachung des öffentlichen Raumes verschärft. Ausbau der Überwachungsgesellschaft und Ausgrenzung vom Wohnungsmarkt sind die Folge.
 
Spaltung und Verdrängung
 
So ein Prozess von Verdrängung passiert natürlich nie ohne Widerstand. Um diesen Widerstand zu spalten, bedienen sich die Herrschenden gerne der geschürten rassistischen Zustände. Solange die verschiedenen Gruppen im Kiez gegeneinander ausgespielt werden, kann kein gemeinsamer Kampf entstehen. Immer wenn Polizist*innen bspw. Schwarze Menschen kontrollieren und damit öffentlich schikanieren, zeigen sie den Umstehenden: „Seht her, dieser Mensch gehört nicht dazu. Es wird schon einen Grund haben, warum wir diese Person kontrollieren.“ Rassistisch motivierte Kontrollen schüren weiter den Rassismus in großen Teilen der Gesellschaft. Ein Kreislauf, der zu immer neuen rassistischen Denk- und Handlungsweisen führt. Ein Ausbruch, muss unsere Aufgabe sein. Nur wenn wir zusammen mit ALLEN, unseren Nachbar*innen die nächste Zwangsräumung verhindern, uns mit den Betroffenen rassistischer Kontrollen sichtbar solidarisieren, den Investor*innen entschlossenen Widerstand von Mieter*innen zeigen und uns schlußendlich selbstorganisieren wollen, haben wir eine realistische Chance auf Umsetzung einer solidarischen und sozialen Stadt.
 
Perspektivwechsel
 
Um sich die Auswirkungen auf die Betroffenen von solchen rassistischen Polizeikontrollen nochmal besser vor Augen zu halten, sollten wir es mal mit einem Perspektivwechsel versuchen: Wie fühlt es sich wohl an, jeden Tag Rassismuserfahrungen zu machen? Jeden Tag kommt die Erinnerung: „Du bist nicht Teil der Gesellschaft!“ Beim Aussteigen aus der Bahn ist es dann schon normal, den Personalausweis griffbereit zu haben, denn die nächste Kontrolle kommt bestimmt. Solche Erfahrungen erschweren den gemeinsamen Kampf mit anderen Betroffenen von Verdrängung, die nicht von Rassismus betroffen sind. Somit muss eine antirassistische Praxis Teil einer jeden kämpferischen antikapitalistischen Stadtteilarbeit sein!
 
Rot-Rot-Grün und der Krampf geht weiter
 
Auch wenn der neue Berliner Senat Racial Profiling“ für verboten erklärt, in der Praxis der Berliner Polizei hat sich nichts geändert. Rassismus ist ein gesellschaftliches Problem und daher auch kultivierter Alltag in Behörden, Ämtern und Institutionen. Und durch Zauberhand oder opportune Lippenbekenntnissen wird dieser auch nicht aus unseren Köpfen verschwinden. Spaltung und Ausgrenzung passen nur zu gut zu Berlin, in der immer weniger Menschen angemessen mit Wohnraum, Mündigkeit und schlussendlich einem würdevollen Leben versorgt werden können. Rot-Rot-Grün hat bereits gezeigt, dass sie mit der anhaltenden Verdrängung aus unseren Kiezen nicht brechen werden – Rassismus ist dabei ein wichtiger Mosaikstein. Ein paar Caipirinhas auf dem Karneval der Kulturen und Wahlplakate, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben vorlügen, ändern daran wenig.
 
Spaltung und Ausgrenzung? Nicht mit uns!
 
Wenn ihr Zeuge oder Opfer von rassistischen Polizeikontrollen in Berlin – speziell natürlich im Wedding – werdet, lasst es nicht einfach gestehen. Je nachdem wie gut ihr euch rechtlich auskennt: Nervt die Bullen/Securities mit eurem „juristischen Selbstbewusstsein“, sprecht andere Menschen auf den Umstand an, dass hier aufgrund von Rassismus schikaniert wird und macht es im Nachhinein öffentlich, indem ihr uns z.B. schreibt und den Vorfall schildert.
Denn eine selbstbestimmt antirassistische Praxis gegen z.B. Racial Profiling ist für uns auch ein erster Schritt Richtung Selbstorganisation im Kiez und konsequenten Widerstand gegen soziale Ausgrenzung.
 
Wir wollen gemeinsam für eine Stadt kämpfen, in der wir Würde und Solidarität anstatt Rassismus, Ausbeutung und Verdrängung auf die Agenda packen. Dies können wir nur selbst und gemeinsam tun. Anstatt den Gefahrengebieten des Senats und der Polizei schaffen wir Orte der Solidarität von unten. 
 
Ban Racial Profiling! Gefährliche Orte abschaffen!