Wir alle kennen viele Gründe sich eine neue Wohnung zu suchen. Also wird es Zeit, sich im Internet oder sonst wo ein paar schicke, bezahlbare Wohnungen rauszusuchen, anzuschauen und einen Vertrag zu unterschreiben. Dass das in Berlin und anderen Großstädten gar nicht so einfach ist, ist bekannt. Doch leider gibt es Menschen, für die es noch schwerer ist, eine Bleibe zu finden. Dieser persönliche Erfahrungsbericht zeigt Hürden und Probleme bei der Wohnungssuche, die durch Rassismus und stereotype Vorurteile entstehen.
Rassismus auf dem Wohnungsmarkt
„Wo kommen Sie eigentlich her?“; „Sprechen Sie deutsch?“; „Gehen Sie eigentlich wieder zurück?“; Ein freier Sitzplatz in der vollen Bahn neben mir; Kassierer, die meinen 5-Euro Schein drei mal überprüfen, ob er echt ist. Es sind Fragen und Situationen wie diese, denen ich regelmäßig in meinem Alltag begegne. Es sind die, die mir immer wieder zeigen: Ich bin anders und gehöre nicht dazu.
Im Grunde bin ich einer, den die bayerische CSU als perfekten Migranten bezeichnen würde. Aber genau gesehen bin ich gar kein Migrant. Ich bin in Berlin geboren, bin deutscher Staatsbürger, spreche fließend deutsch, habe ein deutsches Abitur, eine abgeschlossene Ausbildung, gehe fünf Tage die Woche arbeiten und zahle brav meine Sozialabgaben. Das einzige, was an mir nicht „deutsch“ ist, sind mein Aussehen und mein Name.
Doch die beiden Sachen reichen aus, dass mir oft genug Türen verschlossen bleiben, die offen wären, wenn ich blond wäre und Klaus hieße. Ich möchte euch als Beispiel die kleine Odyssee meiner letzten Wohnungssuche erzählen.
Zu Beginn meiner letzten Wohnungssuche hatte ich wie jede_r klare Vorstellungen von meiner neuen Wohnung. Zwei Zimmer wären toll, Badewanne wäre schön und ein Balkon ein Traum. Also mache ich mich im Internet, in Zeitungen, im Freundeskreis auf die Jagd und suche sämtliche Wohnungen, die mir gefallen und nicht mehr als 33% meines Nettogehalts kosten, heraus und vereinbare Besichtigungstermine. Brav mit drei Lohnnachweisen, lupenreiner Schufaauskunft und einem Mietschuldenfreiheitsbescheinigung besuche ich in den ersten zwei Wochen insgesamt 10 Wohnungen, mal in Einzelbesichtigung, mal in Massenbesichtigung, mal mit wenigen anderen Interessierten. Letztlich bewerbe ich mich auf acht von diesen Wohnung. Ich möchte betonen, dass ich mich während der ganzen Zeit auf keine einzige Wohnung beworben habe, die warm mehr als 40% meines Nettogehalts gekostet hat. Ich kriege nur Absagen.
Die nächsten Wochen verlaufen ähnlich, ich schraube auch immer mehr meine Ansprüche an die Wohnung zurück. Gut, wenn die Wohnung jetzt weiter weg liegt, ist auch ok, aus zwei Zimmern wird eins, aus Badewanne und Balkon wird Luxus, der nicht sein muss. Ich bewerbe mich unter anderem auf eine Einraumwohnung, die zuletzt in den 80ern saniert wurde und im fünften Stock eines Altbaus liegt und erhalte eine Absage.
Insgesamt dauert meine Wohnungssuche sieben Monate, ich habe mir geschätzt 100 Wohnungen angeschaut und mich auch auf etwa 90 dieser beworben. Jetzt werden viele denken, umkämpfter Wohnungsmarkt in Berlin, doch leider habe ich während dieser sieben Monate viel zu oft mitbekommen, dass die vermeintliche Herkunft der Bewerber_innen sehr wohl ein Kriterium war.
Eine der ersten Wohnungen, die ich mir anschaute, lag im Herzen Neuköllns, eine Gegend, die normalerweise von Migranten wie mir nur so wimmelt. Das Haus ist ein Altbau mit Hinterhaus, etwa zwanzig Wohnungen. Als ich da so stehe und auf den Makler warte, gucke ich aufs Klingelschild und finde keinen einzigen „nicht-deutschen“ Namen. Der am „nicht-deutschesten“ klingende Name ist noch Michalski und das will in Neukölln schon was heißen. Ein wenig stutzig dadurch schaue ich mir die Wohnung als einziger an und bewerbe mich auch auf diese. Einen Tag später rufe ich an, um mich zu erkundigen. Die nette Person am Telefon fragt „Wie war der Name? Aydin? Tut mir Leid, die Wohnung ist schon vermietet.“
Nach drei Monaten war ich mir einmal sicher, eine Wohnung gefunden zu haben. Eine Kollegin von mir zog aus ihrer Wohnung aus und suchte einen Nachmieter_in. Ihre Hausverwaltung wollte zwei Bewerber_innen für die Nachmiete. Also gab meine Kollegin eine Freundin und mich als Nachmieter_in an. Die Fakten, die die Hausverwaltung kannte, sahen so aus:
– ich männlich, 27 Jahre, sie weiblich, 26 Jahre
– ich Erzieher, Gehalt mehr als ausreichend für die Miete, sie Krankenschwester, Gehalt ebenfalls mehr als ausreichend für die Miete
– ich keine Haustiere, sie drei Katzen
– ich türkischer Name, sie deutscher Name
Irgendwo in diesen Fakten gab es dann etwas, was die Hausverwaltung dazu bewegte, es doch lieber mit der dreifachen Katzenhalterin zu versuchen.
In einem Fall war das Vorgehen des Maklers offensichtlicher, als es sonst der Fall war. Diese Besichtigung fand so gegen Ende der Suche statt, wo ich schon längst von der hoffnungsvollen Phase in die zynische übergegangen war. Ich schaute mir eine nette Zwei-Zimmerwohnung mit etwa acht anderen Personen gemeinsam an und lernte dabei einen netten jungen Mann namens Piotr kennen, der aus Moabit kam und sich gerade von seiner Freundin getrennt hatte und eine neue Wohnung suchte. Als es am Ende der Besichtigung zum Ausfüllen der Bewerbungen kam, füllte Piotr seine aus. Er reichte diese mit seinem Pass dem Makler. Der Makler nahm beides, schaute kurz auf den polnischen Pass, schaute wieder zu Piotr. Der Makler gab ihm Bewerbung und Pass wieder und sagte „Nein, danke!“
Dies ist nur ein kleiner Auszug der Ausgrenzungen, die ich nur während dieser Wohnungssuche erfahren habe. Doch diese Art des Ausschließens und des anders behandelnd werden finde ich leider in viel zu vielen Bereichen meines Lebens wieder.
Ulas Aydin
Studie belegt Rassismus auf dem Wohnungsmarkt
In seinem Jahresgutachten zu Exklusion auf dem Berliner Wohnungsmarkt stellt der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) fest, dass Einwandererfamilien auf Wohnungssuche in Deutschland besondere Schwierigkeiten haben, eine Unterkunft zu finden. Zudem gebe es einige Fälle, in denen Mietverträge oder Immobilienverkäufe wegen Diskriminierung aufgrund der „Hautfarbe“, des „Migrationshintergrundes“ oder eines angenommenen „muslimischen Glaubens“ nicht zustande kommen.
Die in dieser Studie angewandte Methode nennt sich „Testing“ und hat das Ziel nachzuweisen, dass Bewerber mit Migrationshintergrund anders behandelt werden. Dabei werden gleichlautende Bewerbungen einmal mit deutsch und einmal mit nicht deutsch klingendem Namen abgegeben. Daraus, in wie vielen Fällen der „deutsche“ Bewerber einen Termin zur Besichtigung oder gar eine Zusage bekommt, während dem vermeintlich „ausländischen“ Bewerber mitgeteilt wurde die Wohnung sei schon vergeben, kann der Umfang der Diskriminierung nachgewiesen werden.