Das Brunnenviertel, eingekeilt zwischen Prenzlauer Berg und Mitte, scheint eine Goldgrube für Immobilienspekulant*innen zu sein. Im letzten Mietspeigel verzeichnete dieser Kiez mit 14,99% einen ausgeprochen hohen Mietanstieg. Einen der höchsten der Stadt. Ein Schelm wer denkt, dass Zwangsräumungen, Privatisierungen kommunaler Wohnungen und alle anderen nur denkbaren stadtpolitischen Schweinereien weit sind. Haramstufe rot also!
Der Kiezrundgang setzte sich zum Ziel, Privatisierungen des öffentlichen Raumes, widerrechtliche Bebbauung von Grünflächen mit Luxuswohnungen, mögliche kommende Verdrängungswellen und Scheinprojekte des „sozialen Wohnungsbaus“ zu markieren.
Die (Teil-)Privatisierung des Bahnhofvorplatzes am Fernbahnhof Gesundbrunnen sowie die Verdrängung gesellschaftlich prekarisierter Gruppen (z.B. wohnungslose Personen) durch Polizei und private Sicherheitskräfte bedeutete der Beginn des 1,5 stündigen Ganges. Vorbei ging es an den vermeintlich neuen „sozialen Wohnungsbau“ Graunstraße/ Gleimstraße, in dem von 104 Wohnungen ganze 34 öffentlich gefördert sind. Dass diese durchschnittlich 6,50 Euro netto kalt pro m2 kosten und Personen, die AG2 beziehen diese Kosten vom Jobcenter nicht übernommen bekommen, scheint schon fast überflüssig zu erwähnen. Dennoch ließ sich der derzeitige Bausenator Andreas Geisel (SPD) dazu hinreißen, diese als „sozialverträgliche Mieten“ im Rahmen des Richtfestes zu bezeichnen.
Auch der noch amtierende Baustadtrat Carsten Spallek (CDU), der jüngst in Mitte glamorös gescheiterte Bezirksbürgermeisterkandidat, lobte sich Anfang September, dass „Mitte spitze“ sei, da der Bezirk seit Januar dieses Jahres ganze 1798 Wohnungen genehmigt hätte. Welche Art von Wohnungen das sind, brauchen wir hier wohl kaum erwähnen.
Anschließend ging es zum Mauerpark, wo die Groth-Gruppe dank des Berliner Filzes aus Parteipolitik und Bauindustrie umgewidmete Grünflächen mit teuren Eigentums- und Mietwohnungen bebauen wird.
Zudem wurde auf wiederholte rassistische Übergriffe hingewiesen, welche vor allem im Rahmen von Spielen des BFC Dynamo Berlin im nahe gelegenen Jahn-Sportpark passieren. Erst vor wenigen Wochen griffen 200 Nazis eine Feier eines kamerunischen Vereins an und verletzten Besucher*innen des Festes zum Teil schwer. [1]
Die Polizei griff hierbei nicht ein und dementierte diesen Vorfall im Nachhinein. In Solidarität mit den Betroffenen wird es am kommenden Samstag eine Kundgebung sowie ein antirassistisches Picknick geben. Wir freuen uns, wenn wir uns am Samstag gemeinsam um 15 Uhr im Mauerpark sehen.
Danach ging es Richtung Swinemünder Straße, wo das System der Anschlussförderung für Sozialwohnungen sowie das Berliner Mietenbündnis zwischen Senat und kommunalen Wohnungsbaugesellschaften erklärt wurde. Besonders gefährlich ist dabei, dass die kommunale DEGEWO vorzeitig Fördersummen an den Berliner Senat zurückgezahlt hat und vorher subventionierte Wohnungen nun sprunghaft teurer werden könnten. Bereits zum Frühjahr/ Sommer 2017 könnte dieser Umstand weitere Wellen schlagen. Deutlich wird dabei, dass der angebliche soziale Auftrag der DEGEWO und anderer kommunaler Wohnungsgesellschaft eine Farce ist. Sie sind und bleiben ein kapitalistisches Projekt, das profitorientiert handelt und stets die Rendite vor Augen hat. Bei 3600 DEGEWO-Wohnungen, allein im Brunnenviertel, sind kollektive Mieter*innenkämpfe somit eine Notwendigkeit.
An der Brunnenstraße wurde die Geschichte des Arbeitskampfes von Mitarbeiter*innen des „Amadeus Hostels“ um bessere Arbeitsbedingungen sowie ihre Löhne rekapituliert. Analog zur Gentrifizierung ganzer Kieze, ist die sogenannte „Touristification“ eine wichtige Erscheinung. Der touristische Umbau der Kieze bedeuten häufig miserable Arbeitsbedinungen, u.a. im Gastro- und Hotelgewerbe. Eine solidarische Unterstützung der Kämpfe und die Verbindung zu bestehenden Kiezkämpfen ist daher besonders wichtig, um eine kollektive Gesellschaftsperspektive zu erkämpfen.[2]
Schräg gegenüber, an der Kreuzung Stralsunder Straße/ Brunnenstraße gelegen, befindet sich ein riesiges Bauprojekt der „Cresco Capital Group“. Hier sollen 697 Appartements neben einigen Büroflächen entstehen, welche als Wohneigentum von einem Hedge Fonds vertrieben werden. Welcher „soziale Auftrag“ hinter diesen hochpreisigen 1-Zimmer-Wohnungen stecken soll, bleibt uns schleierhaft. Das gleiche Unternehmen bewirbt ein Bauprojekt am Frankfurter Tor übrigens hiermit: „Wir errichten eine erstklassige Studentenwohn-Plattform, die unseren Investorenattraktive Renditen und hohen Kapitalschutz bietet.“ Wirklich erschreckend, wenn wir bedenken, was dieses Bauprojekt für die soziale Zusammensetzung im Kiez sowie indirekt für den ortsüblichen Mietspiegel bedeuten wird…
Zum Abschluss thematisierten nochmals die Verantwortungslosigkeit der DEGEWO sowie den jüngsten Skandal um das versehentliche Versenden einer E-Mail an die Berliner Zeitung- nur wenige Tage vor der Wahl. Hier leitete der inzwischen geschasste Pressesprecher die Aufforderung des Bausenator Geisel (SPD) weiter, vor der Wahl kritische Berichterstattungen zur vergangenen Mieter*innenbeiratswahl zu unterlassen. Knapp 100 „missliebige“ Personen, Mieter*innen der DEGEWO, sollen vor der Wahl aussortiert worden sein. [3] Die kapitalistische Unternehmenslogik könnte ja in Frage gestellt werden.
Ein Licht im dunklen Geflecht dieser neoliberaler Stadtpolitik sind die Aussichten auf den permanenten Austausch in einer solidarischen Organisierung von unten. Wir bedanken uns bei der Berliner Mietergemeinschaft, der Mauerpark-Allianz sowie der Basisgewerkschaft FAU für die Teilnahme und das geteilte Wissen.
Wir kämpfen weiter mit solidarischen und betroffenen Menschen sowie Initiativen für eine solidarische und antikapitalistische Perspektive in diesem Kiez, in dieser Stadt, für eine Gesellschaftlichkeit jenseits von Rassismus und sozialer Ausgrenzung. Es gibt viel zu gewinnen, los geht’s!
[3] einen Kommentar gibt es hierzu in der Berliner Zeitung: http://www.berliner-zeitung.de/politik/meinung/kommentar-zu-mieterratswahlen-gesinnungsschnueffelei-und-gelenkte-mitbestimmung-24671294