Dieser Brief ist eine gemeinsame und offene Solidritätserklärung des Mietrebell*innen Block. Weitere Hintergründe und Termine: https://aaronbalu.blackblogs.org/ und https://freiheit.blackblogs.org/
Hallo Aaron, hallo Balu,
wir schreiben euch, damit ihr wisst, dass ihr nicht vergessen seid. Wir, das sind verschiedene Strukturen, die ein Ziel eint: So wie es ist, darf es nicht bleiben. Wir haben uns nicht mit den Verhältnissen arrangiert, haben nicht resigniert oder uns murrend eingefügt, sondern wir glauben weiterhin, dass eine andere, eine bessere Welt nötig und möglich ist.
Wir streiten für eine Welt, in der Menschen nicht aufgrund ihres Geburtsortes eine Nationalität erhalten, die sie besser oder schlechter stellt als andere; eine Welt, in der niemand Angst davor haben muss, von Bomben zerfetzt, von Repressionsorganen schikaniert oder getötet zu werden; niemand Angst davor haben muss, zu verhungern oder an behandelbaren Krankheiten zu sterben; eine Welt, in der kein Mensch mehr Angst davor haben muss, zu sein was er oder sie will, sich zu benehmen wie er oder sie es will, oder zu lieben wen immer sie oder er will; kurzum: Wir streiten dafür, das eigene Leben zu sehen, die eigenen Potenziale, Interessen und Wünsche frei entfalten zu können, fernab jeder Kategorie von Herkunft, Geschlecht oder sozialem Status.
Dass es diese Welt (noch) nicht gibt, dass all die Schweinereien immer noch existieren, wisst ihr genauso gut wie wir. Ihr habt euch aktiv für ein Projekt eingesetzt, das symbolisch für all das steht, wofür wir kämpfen. Die Rigaer94 ist ein Ort, in dem die unterschiedlichsten Menschen versuchen, mit der herrschenden Logik zu brechen: ein Ort, an dem es nicht darauf ankommt, wieviel Geld jemand verdient, welche Hautfarbe, Geschlecht oder sexuellen Vorlieben jemand hat, sondern an dem Menschen als das gesehen und so behandelt werden, was sie sind: Menschen.
Der Bruch gegenüber der herrschenden Logik existiert seit vielen Jahren in den Häusern im Friedrichshainer Nordkiez. Dort leben Menschen, die keinen Bock mehr haben, in einer sterilen Welt voller nichtssagendem Spektakel zu leben, in der die Logik des Profits über den Bedürfnissen der Menschen steht, in der über unseren Köpfen hinweg entschieden wird, wo und wie wir leben sollen. Die Rigaer94 steht exemplarisch für all die Projekte und Menschen, die sich nicht damit zufrieden geben, dass alles ja noch viel schlimmer sein könnte; Menschen, die wissen, dass ein Einzelner nie wirklich frei sein kann, wenn nicht alle befreit sind. Die Projekte und Menschen zeigen ein kleines Bild aus der Zukunft, wie sie sein könnte: selbstverwaltet, selbstbestimmt und solidarisch.
Ein Axiom innerhalb der herrschenden Verhältnisse (und all derer zuvor) ist, dass die aktuellen Nutznießer von Macht und Privilegien alles daran setzen, den Status Quo aufrechtzuerhalten oder zu ihren Gunsten zu verändern. Ihnen wird Angst und Bange, wenn sie an eine Welt denken, in der sie „nur“ noch Gleiche unter Gleichen sind, nicht mehr aufgrund ihrer Herkunft, ihres Postens oder ihres Reichtums über anderen stehen und über andere bestimmen können. Sie versuchen jeden Samen, der eine andere Gesellschaft in sich trägt, im Keim zu ersticken, und scheuen dabei keine Mittel.
Ihr sitzt stellvertretend für uns alle im Knast. Für all diejenigen, die sich auf die ein oder andere Weise mit der Rigaer94 solidarisch gezeigt haben; für all diejenigen, die tagtäglich gegen die neoliberale Stadt und all ihre Widerlichkeiten kämpfen, die sich nicht einschüchtern lassen von vermeintlich in Stein gemeißelten Regeln wie dem Eigentumsrecht und dem daraus abgeleiteten Recht, Profit mit dem Wohn- und Lebensraum anderer zu machen. Und stellvertretend für all diejenigen, die das Hier und Jetzt eben nicht als alternativlos empfinden.
An euch wollen die Herrschenden ein Exempel statuieren. Ihr seid oder wart mehrere Monaten unter fadenscheinigen Begründungen in Untersuchungshaft, einfach deswegen, weil sie verhindern wollen, dass mehr Menschen eurem Beispiel folgen: nicht mehr schweigen, nicht mehr stillhalten, sondern sich einsetzen und aktiv für das kämpfen, woran mensch glaubt. Dass es euch getroffen hat, macht uns wütend und traurig. Aber wir wissen das es jede*n von uns hätte treffen können, dass wir alle damit gemeint waren. Deshalb sind wir in Gedanken und in unseren Kämpfen bei euch. Ihr seid nicht vergessen und die, die euch das angetan haben, auch nicht. Wir kämpfen weiter, solange bis ihr frei seid und solange, bis die Gesamtscheiße nicht mehr existiert.
Das gilt natürlich auch für die x-tausenden Menschen, die in Moabit und anderswo in den Knästen sitzen, die den Herrschenden auf die ein oder andere Weise ebenfalls ein Dorn im Auge sind: Menschen, die auch für ihre Überzeugungen eingesperrt werden wie Ali und Cem, deren „Verbrechen“ darin bestehen soll, sich für die Freiheit und ein gutes Leben der Kurd*innen eingesetzt zu haben. Nicht zu vergessen all die vielen Namenlosen, die bewusst, unbewusst oder unter Zwang den aufgezwängten Regeln dieser Gesellschaft eine Absage erteilt haben.
Wir werden weiter für ein schönes Leben für alle streiten. Ein Leben, in dem Menschen dort leben können, wo sie wollen, unabhängig von sozialem Status, Einkommen und Eigentum. Ein Leben, in dem Menschen hingehen können, wohin sie wollen, unabhängig von Geburtsort, Hautfarbe oder anderer Zuschreibungen. Ein Leben, in dem jede*r jede*n lieben kann, unabhängig von Geschlecht und sexueller Vorliebe. Ein Leben, in dem sich alle Menschen frei bewegen und so entfalten können, wie es ihnen beliebt. Eine Gesellschaft, in der die Freiheit des Einzelnen, die Voraussetzung für die Freiheit aller ist.
Wir senden euch Kraft, Mut und Durchhaltevermögen. Ihr seid nicht allein. Solidarisch und vereint gegen ihre Repression!
Hände weg vom Wedding
Kiezladen Friedel54
Revolutionäre Perspektive [Berlin]
Antifaschistische Linke Jugend (ALJ)
(Haus-)Projekte des Friedrichshainer Nordkiez