Über Ferienwohnungen und das „Zweckentfremdungsverbot“

Berlin und sein zahnloser Papiertiger…

Seit dem 01. Mai 2016 besteht es nun: das sogenannte Zweckentfremdungsverbotsgesetz. Mit diesem Gesetz, eingesetzt unter der Federführung vom Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD), soll nun den ausufernden Wuchs von Ferienwohnungen der Kampf angesagt werden. Nur nach vorheriger eingeholter Erlaubnis, sollen Mietwohnungen als Ferienwohnungen genutzt werden dürfen. Wer dagegen verstößt, kann mit Bußgeldern mit bis zu 100.000 Euro belegt werden.

Bereits im Vorfeld gab es immer wieder Druck von stadtteilpolitischen Initiativen, die auf die fortwährende Wohnraumverknappung – nicht unbedingt ausschießlich aber mitunter durch – Ferienwohnungen in zahlreichen Kiezen Berlins, hinwiesen. Durch Online-Portale wie Air b’n’b, 9flats und Wimdu sprießen die Angebote für Ferienwohnungen „günstiger als Hotels“ in innerstädtischen und deren umgebenden Stadtteilen praktisch aus dem Boden. Wieviele Ferienwohnungen tatsächlich stadtweit existieren ist unklar. Schätzungen geben von mindestens 10.000 bis zu 25.000 aus.
Spätestens seit der öffentlichkeitswirksamen Besetzung der Weddinger Ferienwohnung in der Soldiner Straße durch die Erwerbsloseninitiative BASTA, sind die negativen Konsequenzen der Vermietung von Miet- zu Ferienwohnungen stadtweit bekannt. Während der Wohnungsmarkt für Transferleistungsempfänger*innen (bspw ALG II) und geflüchtete Menschen nahezu aussichtslos ist, verdienten und verdienen zahlreiche Anbieter*innen viel Geld mit dem Wohnraumentzug.
Gerade für „Szene-Kieze“ wie Wedding, Kreuzberg, Neukölln u.v.m. hat dies dramatische Folgen. So leistet dies der Verdrängung und Ausgrenzung weiter Vorschub- für die Profitinteressen einiger Weniger.

Das Gesetz als „soziales Schwert“?

Während Geisel vollmundig ankündigt, dutzende zusätzliche Mitarbeiter*innen mehr in den Bezirksämtern damit zu betrauen, illegale Ferienwohnungen aufzuspüren, erweist sich das Gesetz als Papiertiger. Noch immer werden zahlreiche Ferienwohnungen angeboten.  In hilfloser Mannier versuchen Senat und Bezirke nun, die Online-Portale zu verpflichten, die Daten der  Anbieter*innen dieser möglicherweise illegalen Ferienwohnungen offen zu legen. Und wer hätte das gedacht: sie spielen nicht mit! Um ihre kapitalistischen Interessen sowie die ihrer Nutzer*innen zu schützen, reichten einige Portale (zusammengeschlossen mit dem Verein „Apartmentallianz Berlin“), u.a. Wimdu, bereits Klage gegen das Gesetz ein. Diese wird am 08. Juni vor dem Berliner Verwaltungsgericht verhandelt.  Zahlreiche Klagen von privaten Vermieter*innen liegen ebenfalls vor. Geradezu zynisch ist es, dass Air b’n’b die Herausgabe der Daten mit dem Verweis auf den Datenschutz verweigert.

Das Portal ließ weiter verlauten:
„Die Gastgeber sind Berliner Bürger, die ihr eigenes Zuhause gelegentlich teilen, weil es ihnen hilft, ihre Rechnungen zu begleichen, ihre Wohnung zu halten und in der Stadt wohnen zu bleiben, die sie lieben. Diese Gastgeber präsentieren ihr Berlin von der besten Seite und ziehen neue Besucher an, die die Stadt wie echte Berliner erleben möchten.“ [1] Wir sollen lernen: Ferienwohnungen und die daraus resultierende Verdrängung ist Berliner Gastfreunschaft. Wenn sie wirklich wie „echte Berliner“ leben möchten, laden wir alle gerne ein, in Turnhallen, in der Wohnungslosigkeit oder in zu teuren und engen Mietwohnungen zu übernachten.

Der Stadtrat von Mitte, Stephan von Dassel (Grüne) hofft, dass das Gericht dem Gesetz zustimmt – eine bessere Zustandsbeschreibung der Hilflosigkeit des Berliner Senats und dessen Bezirksämter gibt es derzeit wohl kaum. Sind sie doch die politisch Verantworlichen, welche mit Standortgetöse und „be berlin“-Tourismuskampagnen den ökonomischen und politischen Ausverkauf vorangetrieben haben. Armut und Kreativwirtschaft werden noch immer als positive Standorteigenschaften hochgehalten – es wurde und wird wortwörtlich darauf geschissen, welche Verdrängungseffekte dies konkret zur Folge hat.
Seit kurzem ist zudem bekannt, dass der Dachverband der europäischen Ferienhaus- und Ferienwohnungsvermieter (European Holiday Home Association, EHHA) bei der EU-Kommission Anzeige gegen das Berliner Gesetz einreichen möchte. Die Kapitalfraktion verteidigt ihre Profitinteressen mit allen Mitteln.

Dem Kapital vorauseilender Gehorsam?

Der Bezirk Pankow hat nun angekündigt, das Verbot vorerst auszusetzen. Auch innerhalb der Parteien gibt es genug Querschläger*innen: in letzter Zeit machte sich der SPD-Politiker Stephan la Barree mit seinen 15 Ferienwohnungen in Berlin-Moabit wohl wenig Freund*innen. Der frühere Berliner Verfassungsgerichtspräsident Helge Sodan behauptete gar, das Zweckentfremdungsverbot sei ein massiver Eingriff in die Eigentumgsfreiheit. Wenn Eigentum bekanntlich Ausbeutung und Ausgrenzung bedeuten- was wäre da die solidarische Alternative?

Leerstand und Ferienwohnungen enteignen!

Während Wohnungen immer unbezahlbarer werden und Menschen in unter menschenunüwrdigen Bedingungen in Lagern leben müssen, zählt weiterhin das Renditeversprechen. Im Kampf für eine „Stadt von unten“ und für ein selbstverwaltetes Leben dürfen wir uns nicht auf geheucheltes soziales Interesse der Parteien verlassen. Im Zuge des  bevorstehenden Wahlkampfes und der Berlin-Wahlen am 18. September, geben sie diese ein vermeintlich soziales Antlitz. Doch die Realität in dieser Stadt beweist es: eine Veränderung können wir nur selber schaffen. Wohnraum kann und darf nur kollektiv verwaltet werden. Kollektivierte Ferienwohnungen statt Enthaltung von Wohnraum. Bei zehntausenden Ferienwohnungen bedeutet dies, Menschen aus den Lagern, wohnungslose Personen, prekarisierte Personen eine Bleibe geben zu können.

Stattdessen drückt sich der Berliner Senat vor der Schaffung eines neuen, real-sozialen Wohnungsbaus und versucht, das Problem mit sogenannten „Modularen Unterkünften für Flüchtlinge“ scheinbar zu „lösen“. Was bleibt ist die widerwärtige Konkurrenzsituation um Wohnraum. Dies spielt letztlich den kapitalistischen Vermarktungsinteressen, die Wohnraum als Ware begreifen, in die Hände. Die Schaffung solidarischer Perspektiven ist daher umso wichtiger. Statt Spaltung anhand rassistischer und sozialer Kriterien müssen wir Verteiliungs- und Klassenkämpfe neu beginnen. Stadtpolitische Kämpfe können hierfür ein Ankerpunkt sein. In einer aktuellen Umfrage vom RBB und anderen Medienorganen, wurde deutlich, dass die Mehrheit der Berliner*innen das Ferienwohnungsverbot unterstützt. Nur gut ein Drittel der Befragten würde diese auch bei den Bezirksämtern melden.[2]

Umso wichtiger ist es, sich nicht auf staatliche Sanktionsmechanismen zu verlassen.
Nehmen wir die Gestaltung der Kieze selbst in die Hand.  

Darum: wenn ihr Ferienwohnungen in euren Häuser, Kiezen registriert:
Macht diese öffentlich, weist auf die sozialen Konsequenzen hin und seid kreativ!
Die Besetzung der Ferienwohnung am Maybachufer hat gezeigt: Widerstand ist nötig und möglich!

  Quellen:
        [1] https://www.airbnbaction.com/home-sharing-in-berlin/
        [2] https://www.berlinonline.de/mitte/nachrichten/4413882-4015813-zwiespaeltiges-stimmungsbild-berliner-si.html